Verliebt, verlobt…

Wie voll kann ein Jahr werden? Ich staune jedesmal aufs Neue, was da alles rein passt! Jedenfalls hatte ich von vielem, was in diesem vergangenen Jahr kommen würde, am Neujahrstag 2023 noch gar keine Ahnung. Es war eine herausfordernde und zugleich wunderbare Zeit.

Unser Haus in Borgarnes

Im Januar konnten wir unser neues Haus übernehmen. Der Schock war zunächst gross. Es war noch alles voller Gerümpel, Möbel und Unmengen von Lego, das die bisherigen Besitzer krankheitsbedingt nicht eingepackt und mitgenommen hatten. So haben wir einen ganzen Tag dafür verwendet, um alles aus dem Haus zu schaffen, in unseren Hänger zu laden und zu ihnen nach Reykjavík zu bringen. Auch draussen unter dem Schnee kam nach und nach jede Menge zum Vorschein, als es taute – allein fünf Roller und viele andere wertvolle Dinge – zusammen mit jeder Menge Müll.


Auch im Haus war viel zu tun – nicht nur Schönheitsreparaturen, sondern es fehlten innen auch alle Fensterverkleidungen und Leisten. Die Wände waren schwarz gestrichen, eine fehlende Treppenstufe gab einen direkten Zugang zum Keller… Wir haben jedes Wochenende die Stunde Fahrtzeit in Kauf genommen, um alles bewohnbar zu machen, und so nach und nach offenbarte das Haus jede Menge Charme.

Eigentlich wollten wir das Haus als AirBnb an Touristen vermieten, aber zuerst sollte ein Teil unserer Familie aus Deutschland dort einen schönen Urlaub machen können. Kurz bevor sie Anfang April kamen, waren wir dann auch fertig mit all den vielen kleinen und grossen Arbeiten, jedenfalls zufrieden für den Moment, denn so ein Haus ist ja eigentlich nie fertig. Aber die Mäuse waren (vorerst) vertrieben, die Überschwemmungen im Keller dank Pumpe (ebenfalls vorerst) im Griff, und auch sonst war alles freundlich und hell eingerichtet.

Umzug

Nachdem die Familie wieder abgereist war, ging es an die letzten Feinarbeiten, Fotos für die Werbung und so weiter. Aber auf einmal wurde im Mai plötzlich die Einfahrt zum Grundstück gesperrt und die Strasse einen Kilometer lang aufgerissen. Erst zwei Tage vor Weihnachten wurde sie (vorläufig, weil noch nicht asphaltiert!) wieder für den Durchgang und Verkehr geöffnet. Wir konnten unsere Gäste ja schlecht durch den angrenzenden Park mitsamt ihrem Gepäck schicken – also lag das Projekt erst einmal auf Eis. Und auf einmal merkten wir, wie sehr wir uns inzwischen in das Haus verliebt hatten und beschlossen so im August, dass wir stattdessen selbst einziehen würden.

Natürlich standen nun noch einmal jede Menge Veränderungen an, vor allem Stauraum und Möbel mussten her. Im Oktober haben wir dann alle Sachen aus unserer kleinen Wohnung im Hauptstadtgebiet geholt und viele Male Kisten und Möbel mit Schubkarre durch den besagten Park in unser Haus gebracht. Seither leben wir hier in Borgarnes, einem kleinen beschaulichen Ort. Unser Haus ist ein bisschen zurückgesetzt von der Strasse, dadurch haben wir es ruhig und können in unserem Hotpot auf der Terasse ganz ungestört baden. Wir geniessen es sehr, hier leben zu dürfen.

Verliebt – verlobt – verheiratet

Als wir Anfang des Jahres das Haus unser eigen nennen konnten, beschlossen wir uns ganz offiziell im Online-Register als in „sambúð“ lebend einzutragen. Damit bescheinigt man nicht nur dass man zusammen in einer „Bude“ lebt, sondern man hat auch eine ganze Reihe Rechte und hat quasi einen offiziellen Status, der eine eingetragene Lebenspartnerschaft ist. Es ist eigentlich ein ganz schnödes Eintragen im Internet, aber wir wollten es ein bisschen feierlich gestalten. Am Ende ist das ganze dann etwas aus dem Ruder gelaufen und am Ende des Abends haben wir uns verlobt – die Ringe haben wir dann gemeinsam eine Woche später gekauft.

Als wir miteinander darüber nachdachten, wann wir eine Hochzeit ins Auge fassen wollten, war uns beiden schnell klar, dass wir auf jeden Fall unsere Eltern dabei haben wollten. Alle drei sind schon teilweise weit über achtzig. Und meine Mutter, die nicht gerne reist, hatte sich für Ostern zusammen mit meiner Schwester und ihrer Familie bei uns angemeldet. Kurzerhand nutzten wir die Gelegenheit und haben in den sechs Wochen bis Ostern alle Hebel in Bewegung gesetzt, um alle möglichen Dokumente und Kleider zusammenzubekommen, eine Kirche und eine Pfarrerin zu finden, die Musik zu organisieren, eine Online-Direktübertragung auf die Beine zu stellen, unsere Freunde einzuspannen für herrliche Musikbeiträge, die Festgestaltung und Übersetzung, und mitten in der Konfirmationszeit einen freien Raum für den Nachmittag zum Feiern zu haben.

Es wurde ein wunderschöner Ostermontag, unvergesslich, mit überraschender Sonne und hätte auch nach einem Jahr Vorbereitung nicht schöner werden können. Nur eine ganze Menge Freunde und Familie fehlten schmerzhaft… Die Pfarrerin hatte uns getrennt voneinander aufschreiben lassen, wie wir uns kennengelernt haben und warum wir einander heiraten wollen – das wurde ein grosser Teil der Ansprache und rührte uns beide zu Tränen. Wir sind unendlich dankbar für diesen Tag, für alle die ihn so wunderbar haben glänzen lassen, all die Überraschungen meiner Familie, und vor allem dass wir einander gefunden haben und uns so bereichern. Das ist Glück.

Reisen

Der Sommer war natürlich wieder angefüllt mit Reisen für mich. Zehnmal bin ich rund um Island gefahren, dabei sind vier Reisen sogar ausgefallen, wohl wegen der hohen Inflation und der weltweit angespannten Lage, aber es war auch so mehr als genug Arbeit. Die Reisen waren vielfältig, einige neue Gegenden waren dabei, das ist immer ein Highlight. Zwischen fünf, sechs, acht, zehn oder zwölf Tagen (Berge und Meer, SKR und Taruk) war ich fast immer als Driver-Guide mit Headset und maximal 16 Leuten im Sprinter unterwegs und hatte ganz fantastische Menschen in meinen Gruppen. Es hat mir wie immer viel Freude gemacht und ich habe viele Erfahrungen gesammelt. Allerdings machte mir zunehmend meine Gesundheit Sorgen, ich hatte seit Jahresbeginn leichte Probleme mit meinen Knien.

Daraus wurden so schlimmen Schmerzen, dass ich einmal im August kaum noch laufen oder die Treppe steigen konnte. Was ich auch versuchte, ich fand einfach nicht heraus, warum es mal besser und mal schlechter war, bis mir einer meiner Gäste in der allerletzten Fahrt den Tipp gab, mal auf Histamin in der Nahrung zu schauen. Und siehe da, die „Histaminbomben“ weglassend, liessen auch die Schmerzen nach! Was für ein Segen, endlich eine Stellschraube zu haben. Inzwischen komme ich ganz gut klar, habe alles mögliche gelernt, vertrage nach einer sehr strengen Diätphase auch wieder deutlich mehr und bin nahezu schmerzfrei. Hurra!

Und schon wieder Uni

Ende August ging für mich dann die Uni wieder los. Ich habe jetzt noch ein Jahr zu absolvieren, damit ich dann mit dem Zusatzdiplom (das ist der halbe Master) endlich die Anerkennung als Heilpädagogin beantragen kann. Das ist nicht nur finanziell wichtig, sondern auch um endlich die Diskriminierung zu beenden, die schon viele Jahre – seit meiner Ausbildung in der damaligen DDR – mit mir geht. Ich bin froh, dass das dann endlich zur Ruhe kommen darf. Das Studium ist anstrengend, zeitraubend vor allem. Jeder Menge Lesestoff, jede Menge Hausarbeiten und Gruppenprojekte.

Das 1. Semester habe ich gut hinter mich gebracht, aber ich war auch ziemlich müde und krank im Dezember nach Semesterschluss. Es ist ja nicht nur das Studium selbst, sondern auch die Arbeit im Kindergarten, 60 % im Herbst, 80 % jetzt im Januar und Februar (danach muss ich in´s Praktikum). Ich bin noch immer im selben Kindergarten wie vorher, weil es einfach ein Traumarbeitsplatz ist. Mein Mann und ich fahren beide am Morgen sehr früh los, ich lade ihn in seiner Firma ab und fahre dann weiter in den Kindergarten, wo ich ein Kind mit 100% Förderbedarf begleite und unterstütze. Am Spätnachmittag geht es dann die einstündige Fahrt zurück nach Hause, meistens wieder gemeinsam, ausser er hat eine Nordlicht-Tour mit den Quads am Abend.

Was wohl auf uns wartet im neuen Jahr?

Jetzt hat das zweite Semester schon begonnen. Im März/April muss ich ein unbezahltes Praktikum machen und werde in Akranes (etwa die Hälfte der Strecke nach Reykjavík) in einer interessanten Schule arbeiten. Das wird meine erste direkte Begegnung mit dem isländischen Schulsystem. In Island ist es gesetzliche Pflicht, dass alle Kinder in der Heimatschule lernen dürfen und nicht in eine Sonder-/Spezialschule müssen. Das bringt natürlich viele Herausforderungen und klappt oft nur sehr schlecht. Die Schule dort hat ein super Konzept erarbeitet und ich bin froh, dass ich einen Einblick in ein funktionierendes System bekommen darf.

Anfang Mai geht das Semester dann mit einigen Hausarbeiten zu Ende und wir freuen uns auf ein Familientreffen in Deutschland samt mehreren Geburtstagsfeiern, und danach geht für mich die Reisesaison auch schon wieder los. Am 15. Juni ist offizielle Uni-Abschlussfeier, und darauf freue ich mich schon riesig!!!

Was das Jahr sonst noch bringen wird, ist noch ungewiss. Hoffentlich wird sich manches, das uns jetzt noch Kopfzerbrechen bereitet, zum Guten wenden.

Vulkanausbrüche

Auch in den deutschen Nachrichten konnte man mitverfolgen, dass in den letzten Monaten auf der Halbinsel Reykjanes im äußersten Südwesten von Island viel vulkanische Aktivität im Gange war. Gut siebenhundert Jahre lang war es ruhig auf der Halbinsel, an dessen nordwestlichem Ende der internationale Flughafen Keflavík ist.

Kaum jemand hat wirklich damit gerechnet, dass hier wieder Vulkanausbrüche sein würden, obwohl es dort aktive Hochtemperaturgebiete gibt, die immer im Zusammenhang mit aktiven Vulkangebieten auftreten und mit deren heißem Wasser Energie produziert wird und die Häuser beheizt werden. Nun sagen die Wissenschaftler, dass nach den siebenhundert Jahren Ruhe dreihundert Jahre Aktivität folgen werden. Das heisst natürlich nicht, dass ununterbrochen ein Vulkan ausbricht. Momentan ist es aber tatsächlich etwa einmal im Monat. In den letzten drei Jahren gab es nun schon sechs Ausbrüche im selben Gebiet. Das Foto stammt vom letzten Ausbruch und ist von unserem Wohnort aufgenommen worden. Die ersten drei Ausbrüche haben wir „Touristenausbrüche“ genannt, etwas das man bestaunen, womöglich nach einer beschwerlichen Wanderung besichtigen kann und wo keine direkte Gefahr für bewohnte Gebiete besteht. Die Ausbrüche selbst sind jedes Mal kürzer geworden: War der erste etwa ein halbes Jahr aktiv, so war es letzten Sommer nur eine Woche, im Dezember und Januar drei Tage und nun im Februar nur einen Tag. Zugleich waren die letzten drei Ausbrüche von anderer Qualität, weil sie einen Teil Dorfes Grindavík zerstörten und die gesamte Infrastruktur angegriffen wurde. Der Ort wurde schon im November evakuiert bei grossen Erdbeben, die wir auch hier, 80 km Luftlinie entfernt, deutlich spürten; inzwischen ist er unbewohnbar, weil unter dem Ort ein instabiles Spaltensystem entstanden ist, das immer wieder einstürzt.

Die Bilder von zerstörten Strassen, einem Mann der bei Bauarbeiten in einer Spalte verschwand und grossräumigem Ausfall von Heisswasserversorgung (während grosse Kälte herrschte) und Stromausfällen gehen um die Welt und die Leute differenzieren nicht dass es sich nur um einen sehr kleinen, lokalen Bereich von Island handelt, zumal die Blaue Lagune – gleich nebenan – überall beliebt ist. Viele denken, ganz Island ist zu einem gefährlichen und lebensfeindlichen Ort geworden und man sei quasi nirgends sicher. Das macht sich sofort bemerkbar in den Zahlen der Touristen, die gebuchte Touren wieder absagen. Mein Mann hatte in diesem Winter so wenige Touren wie nie zuvor mit seinen Quads. Und ich bin zwar gut gebucht für den Sommer, rechne aber damit, dass es jede Menge Ausfälle gibt, zumal Island auch noch teurer geworden ist als je zuvor. Ich bin froh, dass ich jederzeit in meinem Kindergarten willkommen bin und arbeiten kann. Ansonsten lassen wir uns einfach überraschen was kommt.

Weil immer wieder viele fragen: Wir sind gut 80 Kilometer Luftlinie entfernt und in Sicherheit. Das Ganze ist sehr lokal begrenzt, der Rest von Island ist sicher und man kann hier immer noch prima leben und Urlaub machen. Also: Herzlich willkommen!

Verliebt, verlobt…

16 Gedanken zu “Verliebt, verlobt…

  1. Dietmar Zacher schreibt:

    Hallo Kerstin, deine Beschreibungen sind immer präzise und toll. Ein Auf und Ab in eurem Leben. Aber immer von Gott geführt. Danke! Habt ihr eigentlich einen gemeindlichen Anschluss? Ich freue mich immer wieder über deine Mails. Euch weiterhin ein tolles weiteres 1.Ehejahr. Genießt euch! Liebe Grüße, Dietmar

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  2. Pétur Björgvin Þorsteinsson schreibt:

    Gaman að lesa um ævintýri og áskoranir ársins 2023. Gangi þér vel áfram í náminu, gott að heyra að þú ert næstum verkjalaus. Nú ætla ég að læra meira um „Histamin“ Kveðja Pétur

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  3. Wagner, Martina schreibt:

    Liebe Kerstin, das ist ein toller Bericht, sehr interessant, so viel Einblick in euer Leben zu bekommen. Wir haben uns auch in Island verliebt, wir schauen fast täglich Reisevideos und Ingolf schaut oft seine Fotos an und schwelgt in Erinnerungen. Wir wollen in ein bis zwei Jahren nochmals nach Island kommen, dann aber vielleicht mit einem Mietwagen, wir würden so gerne mal ins Hochland und noch viel mehr von dem schönen Land sehen. Mal sehen ob das klappt, ich bin nämlich noch nie Allrad bzw. off road gefahren.
    Ganz liebe Grüße von Ingolf und Martina aus Haldensleben an euch beide!🍀🌷

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  4. Betti schreibt:

    Liebe Kerstin !
    Wie toll, deinen Jahresrückblick zu lesen, schön dass wir dich und „deine neue Heimat“ kennenlernen durften, du hast sogar ein
    🩶Foto von unserer Reise eingestellt, wir werden unsere Erlebnisse nie vergessen ! 😊
    Ihr habt ja wirklich volles Programm und es ist ganz ordentlich was los auf der Insel 🌋, wie schlimm für die Betroffenen 😔
    Wir wünschen euch alles Gute🍀🐖🐞, habt ein tolles Leben !
    Liebe Grüßle aus dem Schwabenländle
    Betti und Thomas

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  5. Kati Carrapa schreibt:

    Liebe Kerstin! Danke für dein schönes Update! Ich habe mit Freude alles gelesen und die schönen Fotos angeschaut. Ich wünsche dir fürs neue Semester ganz viel Kraft und auch für das Praktikum! So toll wie du das alles Stück für Stück angehst!

    Ich hoffe, dass genug Touristen kommen, so dass eure Touren stattfinden können. Am liebsten würde ich gleich selbst kommen, aber das muss noch warten bis mehr Klarheit in unserem Leben ist.

    Im Juni werden wir wieder in Portugal sein und für eine Woche mit Daniels Familie und unserer Nichte (die wird dann 1 1/2 Jahre alt sein) Urlaub in einem Ferienhaus. Mal schauen wie das werden wird mit Nähe und Distanz.

    Ich war schon seit 2021 nicht mehr in Deutschland, aber kann mich grade auch nicht zwingen so viele Reisen zu machen. So versuche ich zu akzeptieren was ist und ich weiß ja auch wie krass sich so ein Jahr entwickeln kann – vor allem weil es ja immer noch ziemlich am Anfang ist.

    Ich schicke dir ganz liebe Grüße nach Island! Alles Liebe, deine Kati

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  6. Maike Telkamp schreibt:

    Liebe Kerstin, hallo, nach langer Zeit! Was für wunderbare Bilder von der faszinierenden Landschaft und einer sehr glücklich aussehenden Kerstin! Ich freue mich sehr für dich! Studium… Puh! Auch nicht ganz unanstrengend, wenn man es nebenbei macht… Ich habe vorletzte Woche meinen Magister in Theologie abgeschlossen und bin für den Moment mal stolz wie Oskar…
    Dir weiterhin alles Gute und viel Erfolg und Gesundheit für alle deine Vorhaben!
    Liebe Grüße Maike

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  7. Anne schreibt:

    Hi Kerstin,

    du warst vor Jahren unsere Reiseleiterin in Island. An diese Reise denken wir immer noch sehr oft, sie war einfach toll. Alles hat gepasst (vor allem durch dich) und das Wetter war genial. Ein nächster Besuch in Island steht auf unserem Plan !!!!!

    Wir wünschen dir, daß deine Wünsche sich erfüllen. Daß du gesund und immer positiv bleibst, denn so haben wir dich kennengelernt.

    Wir drücken die Daumen und schicken dir viele Grüße
    Anne und Gerhard

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